Befremdendes Interview mit Sexualpädagogin Tina Reigel
Sehr geehrte Frau Schärer
Mit diesem Schreiben nehmen wir Bezug auf das in Ihrer Zeitschrift erschienene Interview «Beim Wickeln sollte man alles benennen» mit der Sozial- und Sexualpädagogin Tina Reigel, (1. April 2022). Dabei geht es um Themen wie «Klitoris aus Knete, wertschätzende Begriffe für Genitalien und Masturbationszimmer in Kitas», wie die Redaktion im einleitenden Lead schreibt. Diese Ankündigung wird dann auch wahrgemacht. Bereits auf die erste, suggestive Frage von Journalistin Ellen Girod, warum es «gut» sei, «mit Erstklässler*innen eine Klitoris aus Knete zu basteln», darf Sexualpädagogin Reigel vorschwärmen: «So eine Klitoris ist höchst faszinierend: Der sichtbare und uns allen gut bekannte «Hügel» ist nur der Anfang. Die ganze Klitoris samt den Schwellkörpern und den Schenkeln ist rund zehn Zentimeter lang. Dank Knete können Kinder das spielerisch lernen.»
In diesem Stil geht es weiter. So sagt Reigel: «Ganz besonders Mädchen müssen wir lehren, dass ihre Vulvas toll sind.» Zum Thema «Wickeln» fordert sie, dass man im Umgang mit den Kleinkindern Begriffe wie «Vulva» oder «Hoden» verwendet. Reigel plädiert für Masturbationsräume in den Kitas und ein entsprechend «sexualfreundliches Konzept». Dasselbe gelte auch für die «Dökterle-Spiele»,
also das gegenseitige Betasten der Genitalien.
Der Verein Schutzinitiative ist befremdet über diesen schamlosen Umgang mit der Psyche und dem Körper der Kinder. «Wir Eltern» macht sich mit diesem unkritischen Interview zum Sprachrohr einer unwissenschaftlichen Sexualpädagogik, «die weder etwas von Sexualität noch von Pädagogik versteht», wie Prof. Jakob Pastötter im beigelegten Interview in unserem Vereinsmagazin sagt. Dabei projizieren die enthemmten Sozialpädagogen ihre eigene Sexualität auf die Kinder – was höchst problematisch ist.
Die Aussagen von Tina Reigel offenbaren ein mechanisches Verständnis von Sexualität und negieren das gefährliche Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern. Statt schon in der ersten Klasse Vulvas und Penisse zu kneten, sollten wir unsere Kinder für Gefühle und den Wert der Liebe für gelingende Beziehungen sensibilisieren.
Dass das Interview mit Tina Reigel kein Einzelfall oder Ausrutscher ist, belegt die Tatsache, dass Sie bereits vor einem Jahr ein ähnlich gelagertes Interview mit dem Sexologen Ben Kneubühler gebracht haben, in dem er dazu aufforderte, die Geschlechtsteile von Säuglingen zu berühren und gar zu massieren (Ausgabe Nr. 6/21). Das lässt auf eine redaktionelle Agenda schliessen, die aus den genannten Gründen höchst problematisch ist und juristisch als Anstiftung zu einer Straftat betrachtet werden könnte.
Im Sinne eines ausgewogenen Journalismus fordern wir Sie auf, in einer der nächsten Ausgabe von «Wir Eltern» eine kritische Gegenstimme zur Frühsexualisierung zu publizieren. Gerne unterstützen wir Sie dabei und erwarten Ihr Feedback.
Ausserdem bitten wir Sie um die zeitnahe Beantwortung folgender Fragen:
- Wie kommen Sie dazu, ungefiltert zu verbreiten, dass in Kitas Masturbationszimmer eingerichtet werden und dass Eltern die Geschlechtsteile von Säuglingen berühren sollten?
- Ist Ihnen bewusst, dass dies als Anstiftung zu einer strafbaren Handlung taxiert werden könnte (Art. 187 StGB)?
- Was unternehmen Sie, um ein ausgewogenes journalistisches Gegengewicht zu dieser einseitigen und fragwürdigen Berichterstattung herzustellen?
- Ist die Verbreitung solch kruder und unhaltbarer Theorien und Forderungen (Masturbieren in Kitas, Berühren der Geschlechtsteile von Säuglingen durch Erwachsene etc.) durch die Verleger und Aktionäre gedeckt?
- Ist ein nächster Artikel geplant, der diese Sexualpädagogik der Frühsexualisierung fördert?
- An welchen Bildungseinrichtungen (Kitas, Kindergarten, Primarschulen) und an welche anderen Zielgruppen (Eltern, Pädagogische Hochschulen usw.) wird «Wir Eltern» verteilt?
Besten Dank für Ihre geschätzte Antwort.
Freundliche Grüsse
Jérôme Schwyzer
Eidg. Dipl. Sekundarlehrer (FH)
Vereinspräsident
Andrea Geissbühler
Nationalrätin
Vorstandsmitglied