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Fachexperten rufen den Notstand aus: Handy-Konsum macht süchtig wie Kokain!

In Davos haben international anerkannte Experten aus den Fachbereichen Medizin, Psychologie und Rechtswissenschaften in einer Parallelveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum WEF im Januar 2024 Alarm geschlagen. Mit ihrer in Davos lancierten Human-Change-Kampagne1 soll die Gefährdung der physischen und psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durch Smartphones und Social Media auf die globale Bühne gehoben und der Weltöffentlichkeit präsentiert werden. Der Verein Schutzinitiative war in Davos dabei und hat mit Experten vor Ort gesprochen.

Studien zeigen auf, dass seit 2012 mit dem Aufkommen von sozialen Netzwerken (Facebook, Instagram, TikTok, Snapchat und WhatsApp) und Smartphones insbesondere der Anteil an jungen Frauen mit Angststörungen, Depressionen, geringem Selbstwertgefühl und Selbstverletzungen bis hin zum Suizid signifikant angestiegen ist.

2021 trat die ehemalige Facebook-Produkt-Managerin und Whistleblowerin2 Frances Haugen an die Öffentlichkeit und enthüllte, dass Facebook über die Schädlichkeit ihrer Dienste sehr wohl im Bilde war und meinte: «Facebook stellt den Profit über die Sicherheit».

USA: Eltern beklagen ihre Kinder
Ende Januar 2024 musste sich nun Mark Zuckerberg, CEO von Meta (u.a. Facebook, Instagram, WhatsApp)3, vor dem US-Justizausschuss des Senats zusammen mit den CEOs von TikTok, Snapchat und X (vormals Twitter) kritischen Fragen stellen. Die Anhörung begann mit aufgezeichneten Aussagen von Eltern, die sagten, dass ihre Kinder in den sozialen Medien ausgebeutet würden. Während der stundenlangen Veranstaltung hielten Eltern, die Kinder durch Selbstmord verloren haben, schweigend Bilder ihrer toten Kinder hoch. Und eine Mutter schilderte, wie ihre Tochter auf TikTok und Instagram in ein «schwarzes Loch mit gefährlichen Inhalten» geriet, nachdem sie begonnen hatte, Videos über gesunde Ernährung und Sport anzusehen. Innert weniger Wochen sei die Tochter an Magersucht erkrankt und beinahe gestorben.

Aber nicht nur problematische Körperinhalte, sondern auch Pornografie und Gewaltinhalte werden von Kindern konsumiert. Und immer mehr Jugendliche werden Opfer von Cybermobbing5 oder Sextorsion5.

Mitte Februar 2024 hat nun der Bürgermeister von New York City, Eric Adams, ein ehemaliger Polizeibeamter, eine Klage gegen Facebook, Instagram, TikTok, Snapchat und YouTube eingereicht. Gemäss Adams ermutigten diese Social Media-Plattformen zu unsicherem Verhalten, machten süchtig und gefährdeten die psychische Gesundheit von Kindern, da Kinder einem ununterbrochenen Strom schädlicher Inhalte ausgesetzt seien.

Der Notstand sollte ausgerufen werden
In Davos beschuldigte die Rechtsprofessorin Gaia Bernstein6 aus New Jersey die Verantwortlichen dieser Plattformen, nicht nur viel zu wenig gegen die Online-Sucht zu unternehmen, sondern diese sogar noch zu fördern. Nur mit staatlichen Regulierungen könnten die Internetgiganten gezähmt werden. Das sei wie bei der Tabakindustrie, welche erst nach jahrzehntelangem Kampf klein beigegeben habe. Und eigentlich sollte die WHO den Notstand ausrufen wie bei Covid-19.

Dr. Mitch Prinstein, wissenschaftlicher Leiter des Amerikanischen Psychologenverbands7, wies auf jüngste Studien hin, welche zeigten, dass die Nutzung von Technologie und sozialen Medien mit Veränderungen in der strukturellen Gehirnentwicklung einhergehen. Das heisst, dass sich die Grösse und die physikalischen Eigenschaften des Gehirns veränderten.

Die leitende Psychiaterin am Kinderspital in Boston, Massachusetts, Dr. Stacy Drury, wiederum beklagte insbesondere die gravierenden Folgen durch zu wenig Schlaf, wenn Kinder das Smartphone ins Schlafzimmer mitnehmen dürfen.

Wie extrem die Handynutzung ausarten kann, schilderte Dr. Michael Rich, Direktor des Digital Wellness Lab in Boston: Es gebe Kinder, welche mit dem Finger (mit Scrolling) auf dem Handy-Bildschirm längere Distanzen zurücklegten als zu Fuss und spricht von 1,3 Meilen täglich!

Ausschüttung von Dopamin im Gehirn
Suchtforscher warnen seit längerem vor den Dopamin-Kicks im Gehirn (und deren Folgen), welche der Griff nach dem Handy auslöst. Auch die Anzahl der Zugriffe auf die Smartphones sei gemäss einer Studie von Dr. Mitch Prinstein erschreckend hoch. So nahmen Jugendliche in der sechsten Klasse ihr Telefon im Durchschnitt zwischen 100 bis 400 Mal in die Hand – pro Tag! In Stunden gemessen verbrachten sie durchschnittlich 8,2 Stunden an Geräten, viele sogar deutlich mehr!8

Für den klinischen Psychologen und Suchtspezialisten Dr. James H. Winston, mit eigener Praxis in Miami Beach, Florida, ist das Suchtpotential einfach zu gross. Man solle Eltern aufrütteln. Diese würden ihrem Kind ja auch kein Kokain geben! Und niemand stelle einen Geldpielautomaten (slot machine) ins Schlafzimmer seiner Kinder. Dr. Winston rät entschieden davon ab, Kindern bis zum Alter von 14 Jahren ein Smartphone zu geben. Sein Sohn war am WEF in
Davos dabei und stellte klar, dass er das Warten überlebt habe. Heute sei er seinem Vater sogar dankbar dafür. Er habe sich damals eine Kamera gekauft und zu fotografieren begonnen. Heute sei das sein wichtigstes Hobby.

Empfehlungen des Vereins Schutzinitiative

Smartphone

  • An unter 14-Jährige auf keinen Fall ein Smartphone abgeben.
  • Bis 16 Jahre sollen die Eltern proaktiv steuern und kontrollieren, auf welche Inhalte die Heranwachsenden zugreifen können.
  • Spätestens ab 20:00 Uhr Smartphone ausserhalb des Schlafzimmers zuhanden der Eltern deponieren.
  • Während Essenszeiten gehört das Smartphone nicht auf den Tisch.
  • Eltern sind Vorbilder bezüglich Nutzung.
  • Gesellschaftsspiele, Musik oder Sport nach dem Essen ersetzt den Griff auf elektronische Geräte.

Social Media

Bis zum Alter von mindestens 16 Jahren sollen soziale Netzwerke wie Instagram, Snapchat, TikTok, aber auch WhatsApp usw. von Kindern ferngehalten werden.

1 humanchange.com; mit Videos der Podiumsdiskussionen.
2 Whistleblower: Person, die Missstände an ihrem Arbeitsplatz öffentlich macht.
3 Meta, vormals Facebook-Konzern, ist ein US-amerikanisches Unternehmen in Kalifornien. Die sozialen Netzwerke Facebook, Instagram und der Nachrichtendienst WhatsApp gehören dazu.
4 Cybermobbing: Das Schikanieren, Diffamieren von Personen über das Internet.
5 Sextortion: Eine Erpressungsmethode, bei der eine Person mit Bild- oder Videomaterial erpresst wird, das sie nackt oder bei sexuellen Handlungen zeigt.
6 Prof. Gaia Bernstein: Expertin für Datenschutzrecht und Co-Direktorin des Gibbons Institute für Recht, Wissenschaft und Technologie, Seton Hall University, New Jersey/USA.
7 American Psychological Association APA, apa.org
8 https://www.apaservices.org/advocacy/news/testimony-prinstein-protecting-children-online.pdf