
Symbolbild (Riccardo Mion/Unsplash)
Der Aufklärungsunterricht an Schulen oder die sexuelle Früherziehung in Kindergärten sorgt immer wieder für negative Schlagzeilen. Unter dem Vorwand, Kinder altersgerecht aufzuklären, werden sie mit einer auf ungehemmtes Triebleben fixierten Ideologie indoktriniert.
Vor wenigen Tagen wurde «swiss-cath.ch» von einem besorgten Familienvater aus dem Zürcher Oberland kontaktiert. Seine Tochter war traumatisiert aus der Schule gekommen. Was war geschehen? Für die 6. Klasse stand im Rahmen des obligatorischen Sexualkundeunterrichts ein Workshop der Organisation «Achtung Liebe» auf dem Programm. Die Lehrperson durfte nicht anwesend sein, so die Vorbedingung von «Achtung Liebe». Dies unter dem Vorwand, Schülerinnen und Schüler könnten dann unbefangener ihre Fragen stellen.
Die beiden Leiterinnen des Workshops – eine lesbische Frau und eine Frau, deren Freund transgender ist (müssen das die Schüler wissen?) – wurde den Kindern im Alter von 11 und 12 Jahren unter anderem folgende Aussagen zugemutet:
- Sex kann man mit jedem haben.
- Wenn Frauen sich gegenseitig lecken, ist das normal.
- Männer mögen es, wenn man an ihrem Penis lutscht.
- Pornos anschauen ist in Ordnung.
In diesem Workshop zeigte man den Kindern Dildos und bot ihnen am Ende des Workshops an, Kondome mitzunehmen.
Im Anschluss an diesen Workshop beschwerten sich Eltern bei der Schulleitung. In einer ersten Stellungnahme bedauerten das Unterrichtsteam und die Schulleitung, dass der Workshop bei einigen «Schüler:innen» und Eltern zu Unsicherheit oder Unwohlsein geführt habe. «Einzelne Eltern erwähnten Beispiele, welche die sachlich und fachlich professionellen Informationen, sowie eine neutrale Haltung der Aufklärenden anzweifeln lassen.» Trotzdem wollte die Schulleitung die Zusammenarbeit mit «Achtung Liebe» fortsetzen. «Wir stehen im Dialog mit ‹Achtung Liebe›, um sicherzustellen, dass zukünftige Workshops die Bedürfnisse unserer Schüler:innen noch besser erfüllen.» Die Formulierung «noch besser erfüllen» war in diesem Zusammenhang übrigens nicht ironisch gemeint.
Ob und in welcher Form die Schulleitung die Zusammenarbeit mit «Achtung Liebe» fortsetzt, ist zurzeit noch offen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Workshops von «Achtung Liebe» in der Kritik stehen. In seinem Beitrag «Bananen und Penisse» in der «Weltwoche» vom 8. Februar 2024 berichtete Philipp Gut von einem ähnlichen Fall im Kanton Zug. Dort wurden Schülerinnen und Schüler einer siebten Klasse gefragt, ob sie bereits Sex hätten und sie mussten vor der ganzen Klasse Kondome über Bananen stülpen.
«Motivierte» Studenten statt Fachleute
«Achtung Liebe ist eine schweizweite Non-Profit-Organisation von Student*innen, welche sich im Rahmen von selbst geleiteten Schuleinsätzen für eine zeitgemässe und altersgerechte Sexualaufklärung einsetzen», so die Selbstbeschreibung auf der Webseite von «Achtung Liebe». Die Organisation hat Lokalsektionen an den Universitäten Basel, Bern und Zürich und steht «motivierten Studierenden aller Fachrichtungen offen», welche an einer Schweizer Hochschule immatrikuliert sind.
Ausgebildet werden die «motivierten» Studierenden «von uns als auch von Expert*innen in den Bereichen der Sexualpädagogik, Infektiologie und Gynäkologie». Wie gross der Anteil der Experten an der Ausbildung ist, steht nirgends. Fachwissen allein genügt nicht; dieses muss auch altersgerecht vermittelt werden. Es muss angezweifelt werden, dass Studenten in einem Kurs in Rekordzeit die dafür notwendigen pädagogischen Voraussetzungen erlernen können – geschweige denn die nötige Erfahrung.
Interessant auch der Inhalt dieser Workshops im Rahmen der Sexualkunde: «Neben unseren Methoden zu den Themen Anatomie, Verhütungsmittel, sexuell übertragbaren Infektionen, Beziehungen, sexuelle Orientierung/Identität und Pornografie lernen die neuen Mitglieder, wie sie mit den Jugendlichen in unbefangenen Kontakt treten und über Themen rund um Sexualität, Gefühle und Beziehungen aufklären können.» Die Themenauswahl bei den Einsätzen in der Schule treffen die Studierenden und nicht etwa die Lehrer, welche die Kinder kennen.
Auf der Webseite ist weiter zu erfahren, dass sich «Achtung Liebe» aktiv für die Gleichstellung aller Geschlechter, für Rechte und Gesundheit von LGBTQIA+*-Menschen, gegen Sexismus, gegen Rassismus sowie jegliche Form von Diskriminierung einsetzt. «Achtung Liebe möchte durch Vermittlung von fundiertem und umfassendem Wissen über die Diversität von Menschen, Geschlechterrollen, Gender, Sex, Liebe, sexueller Orientierung und Beziehung zu einer Gesellschaft beitragen, die von zwischenmenschlichem Respekt geprägt ist.»
Die Methoden der Aufklärung-Workshops richten sich nach den «Standards der ganzheitlichen Sexualaufklärung in Europa» der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Richtlinien der «International Planned Parenthood Federation».
Diese Standards der WHO empfehlen, bereits mit Kindern von 0 bis 4 Jahren über das «Vergnügen und Lust, den eigenen Körper zu berühren» und «frühkindliche Masturbation» zu sprechen. Im Alter von 4 bis 6 Jahren sollen gleichgeschlechtliche Beziehungen sowie die unterschiedlichen Arten von (Familien-)Beziehungen Thema sein. 6- bis 9-Jährigen sollen erfahren, wie sie mit «Sex in den Medien umgehen können, welche Krankheiten in Verbindung mit Sexualität vorkommen sowie über sexuelle Gewalt und Aggression informiert werden. Kinder von 9 bis 12 Jahren sollen wissen, wie man «wirksam Kondome und andere Verhütungsmittel» anwendet. Ausserdem soll mit ihnen über ihre ersten sexuellen Erfahrungen gesprochen werden. 12- bis 15-Jährige sollen in der Lage sein, Anzeichen und Symptome einer Schwangerschaft zu erkennen und Verhütungsmittel auf angemessene Weise zu beschaffen.
Gleichzeitig enthalten die Standards auch Hinweise zur Prävention: «Man muss nicht jedem Wunsch und jeder Anforderung nachkommen, vor allem, wenn sich etwas nicht gut anfühlt.»
Lukas Steinwandter, Chefredakteur von «Corrigenda», befasste sich im Zusammenhang mit einem Anlass einer katholischen KITA mit dem bezeichnenden Titel «Doktorspiele – sexuelle Entwicklung von Geburt an» mit den WHO-Standards. «Er liest sich tatsächlich wie eine Mischung aus Frühsexualisierung und missbrauchspräventiven Versatzstücken – so, als ob Prävention nur dann möglich wäre, wenn man die Kinder vorher zu Doktorspielen und Masturbation animiert hätte. Was aber, wenn dieses Animieren im Grunde genommen schon selbst Schamgrenzen verletzt und deshalb bereits psychischer Missbrauch ist?»[1]
Nachdem man weiss, dass sich «Achtung Liebe» an den Richtlinien der «International Planned Parenthood Federation» orientiert, überrascht es nicht, dass sie sich für «sichere Verhütungsmittel» und «das Recht jeder schwangeren Person (sic) auf eine ärztlich durchgeführte, sichere Abtreibung» vertreten. Von einer Fristenlösung wird hier nicht gesprochen; Abtreibungen bis zur Geburt werden offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt.
Interessant: Unter «Partner*innen» führt die Webseite «ceylor» auf. «Die Marke ceylor steht für ein verantwortungsbewusstes, sinnliches und abwechslungsreiches Liebesleben der Schweizer Bevölkerung. […] Wir danken ceylor für die jahrelange Partnerschaft und die grosszügige Unterstützung mit Kondomen.»

Symbolbild (charlesdeluvio/Unsplash)
Unwissenschaftlich und grenzverletzend
Der «Verein Schutzinitiative» hat das Konzept von «Achtung Liebe» Prof. Dr. Jakob Pastötter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, vorgelegt und ihn um eine Einschätzung gebeten. Sein Urteil fiel vernichtend aus.[2]
Er kritisierte zunächst das Setting der Workshops: Die Kinder würden ohne Vorwarnung mit einer Pornosprache bzw. einem Jugendslang konfrontiert und mit intimsten Fragen, die als übergriffig und demütigend erfahren werden können. Ein Klassenverband sei zudem nicht homogen in der Entwicklung und nicht auf demselben Entwicklungsstand.
Auch die von «Achtung Liebe» propagierte «ganzheitliche Sexualerziehung»[3], in deren Zentrum das Ausleben sexueller Lust ab Geburt steht, sei reine Ideologie. «Von echter Liebe, Verantwortung, Familien und Treue fehlt jede Spur.»
Die Organisation «Achtung Liebe» legt Wert darauf, dass sie «wissenschaftlich korrekte Informationen» vermittelt. Auch das sieht Prof. Dr. Jakob Pastötter anders. Die von der Organisation suggerierte Wissenschaftlichkeit diene einzig der Selbstdarstellung dieser Sexualideologen. «Da entsprechende Studien fehlen, könnten diese Formen der Sexualpädagogik nicht im Geringsten wissenschaftlich erhärtet werden. Langzeitstudien dazu existierten schlicht nicht.»
Das sieht auch Hedwig von Beverfoerde, Sprecherin der «Aktion für Ehe & Familie – DemoFürAlle» so. Gegenüber «Corrigenda» erklärte sie, dass die hier zugrunde gelegten Thesen von der «kindlichen Sexualität» auf den Missbrauchstäter Helmut Kentler zurückgehen. Es sei inzwischen erwiesen, dass Kentlers Thesen keinerlei wissenschaftliche Grundlage hätten und vor allem auf «die Zerstörung des natürlichen Schamgefühls des Kindes» abzielten. Sie schützten nicht, sondern sie begünstigten sexuellen Missbrauch.
Politische Vorstösse
Im Sommer 2024 wollten Eltern mit freikirchlichem und muslimischem Hintergrund ihre Kinder nicht zu einem schwulen Lehrer in den Sexualkundeunterricht schicken. Der Streit eskalierte und der Lehrer musste die Schule verlassen. Kantonsrätin Brigitte Röösli (SP) aus Illnau-Effretikon folgerte daraus: «Den Sexualkundeunterricht müssen Profis übernehmen.» Sie reichte zusammen mit Nicole Wyss (AL) und Livia Knüsel (Grüne) eine Interpellation im Kantonsrat ein. Die Regierung müsse Auskunft geben, wie sichergestellt wird, dass alle Schülerinnen und Schüler trotz Druckversuchen einen zeitgemässen, ganzheitlichen und professionellen› Sexualkundeunterricht erhalten. Zudem soll sie darlegen, wie der Unterricht professionalisiert werden könne.
In seiner Antwort im September 2024 wies der Regierungsrat darauf hin, dass für den Sexualkundeunterricht die Gemeinden oder die Schulleiter zuständig seien.[4] «Die Schulen könnten zur Durchführung des Sexualkundeunterrichts bereits heute Sexualpädagogische Fachstellen beiziehen, um Rollenkonflikte zu vermeiden, werde dies den Schulen empfohlen. «Entsprechende Einsätze werden auf der Volksschulstufe zur Hälfte vom Kanton finanziert. Die andere Hälfte der Kosten trägt die Gemeinde.»
Die Interpellation in Zürich war nicht die einzige. In weiteren acht Kantonen wurden ähnlich formulierte Vorstösse durch Politikerinnen und Politiker von SP, Grüne und GLP eingereicht.
Auf die Anfrage von SP-Kantonsrat Urban Sager erklärte die Luzerner Regierung, dass eine «altersgemässe, ganzheitliche und umfassende Sexualaufklärung» Teil des Lehrplans 21 sei. Die Dienststelle Volksschulbildung (DVS) «setze zudem auf externe Anbieter, wie beispielsweise die Luzerner Fachstelle S&X – Sexuelle Gesundheit Zentralschweiz». Mit dieser Fachstelle hat die DVS eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. S&X wird seit 2023 jährlich mit 225 000 Franken jährlich vergütet. Doch durch die hohe Nachfrage sei das Kontingent jedes Schuljahr frühzeitig aufgebraucht. Dies sei unbefriedigend und zeige, dass man nach Ablauf der Leistungsvereinbarung im Jahr 2026 für das kommende Jahr die Vergütung erhöhen müsse.
Wer auf die Webseite von S&X geht, erfährt Erstaunliches: «Die Hälfte der Weltbevölkerung erlebt rund einmal im Monat die Menstruation.» Gemäss der Wissenschaft haben nur biologische Frauen einen Zyklus, Kinder und alte Menschen zählt die Fachstelle offensichtlich nicht zur Weltbevölkerung.
Wer das auf den ersten Blick unverfängliche Thema «Liebe und Beziehungen» anklickt, liest: «Noch immer gilt die monogame Zweierbeziehung als die Norm, dabei entspricht sie für viele gar nicht den eigenen Bedürfnissen. Doch wie kann zu einer Beziehungsform gefunden werden, die zur eigenen Person passt?» Die Fachstelle ermahnt auch zu Safer Sex und warnt: «Bei Fingerspielen die Hände gründlich waschen, bevor ein neuer Sexpartner befriedigt wird.»
Systematische Verbreitung einer Ideologie
Hinter diesen politischen Vorstössen stehen die Schweizer Dachverbände «Pink Cross», «Lesbenorganisation Schweiz» (LOS) und «Transgender Network Switzerland» (TGNS).
«Pink Cross» und LOS – und auch «Achtung Liebe» – sind Mitglied der «Allianz für Sexualaufklärung in der Schweiz». Diese hat das Ziel, ganzheitliche Sexualaufklärung in der Schweiz zu fördern. Als Grundlage dazu dienen die WHO-Standards (siehe oben). Auf der Mitgliederliste finden sich auch der «Schweizerischer Hebammenverband» oder «Kinderärzte Schweiz».[5]
Finanziert wird die Allianz von «Sexuelle Gesundheit Schweiz», der Dachorganisation der Beratungsstellen für sexuelle Gesundheit und der Fachstellen für Sexualaufklärung in der ganzen Schweiz. Diese ist Partnerin vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und akkreditiertes Mitglied der «International Planned Parenthood Federation» (IPPF).
«Sexuelle Gesundheit Schweiz» steckt auch hinter der Aufklärungsbroschüre «Hey You», welche die NZZ zu folgender Schlagzeile veranlasste: «Lecktuch und Umschnalldildo – wollen Zwölfjährige das überhaupt alles wissen? Eine Aufklärungsbroschüre des Bundes für angehende Teenager liest sich wie eine Anleitung zum Porno» (NZZ vom 20. Juni 2022).
«Sexuelle Gesundheit Schweiz» wird zu grossen Teilen durch Steuergelder finanziert. Im Jahr 2023 betrug der Beitrag des Bundes stolze 766 075 Franken.[6]
Philipp Gut vermutete in seinem Artikel in der «Weltwoche» zu Recht, dass die Studenten von «Achtung Liebe» nicht einfach spontan handeln: «Dahinter steht eine international agierende Lobby mit einer politischen Agenda.»
Bei dieser ideologischen Agenda geht es nicht um echte Beziehungen, Treue und Vertrauen, sondern allein um die Befriedigung der eigenen Wünsche. Das Gegenüber wird so zum (Sex-)Objekt – da nützt es auch nichts, wenn den Kindern und Jugendlichen gleichzeitig beigebracht wird, die sexuellen Wünsche des anderen zu respektieren. Die Folgen einer solchen Sexualaufklärung sind offensichtlich: Beziehungsprobleme bis hin zur Bindungsunfähigkeit, Zunahme von Pornokonsum, Prostitution und Geschlechtskrankheiten sowie von Abtreibungen.[7] Dies hat auch Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes.
Wenn Lehrer sich im Aufklärungsunterricht Unterstützung wünschen, gäbe es andere Angebote wie z. B. «TeenSTAR». Der Verein bezieht in seinen Kursen konsequent Verstand, Gefühle, Beziehungen/Umfeld, Seele/Geist und den Körper ein. Auch ein Kurs zur Natürlichen Empfängnisregelung wäre auf der Oberstufe eine sinnvolle Alternative.
[1] https://www.corrigenda.online/politik/doktorspiele-und-sexuelle-bildung-wie-katholische-kitas-bei-fruehsexualisierung-mitmischen
[2] www.schutzinitiative.ch/bei-achtung-liebe-keine-spur-von-liebe/
[3] Nach den «Standards der ganzheitlichen Sexualaufklärung in Europa» der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Richtlinien der «International Planned Parenthood Federation».
[4] www.zh.ch/de/politik-staat/gesetze-beschluesse/beschluesse-des-regierungsrates/rrb/regierungsratsbeschluss-924-2024.html
[5] https://www.alliance-educationsexuelle.ch/export.php
[6] www.sexuelle-gesundheit.ch/assets/docs/2023_Jahresbericht_SGCH_DE.pdf
[7] Trotz freiem Zugang zu Verhütungsmitteln nehmen die Abtreibungen in der Schweiz zu und erreichten 2023 mit 12 045 Abtreibungen einen neuen Höchstwert.
Quelle: swiss-cath.ch vom 20.01.2025